Diesseits von Afrika. Weißstörche ändern Zugverhalten.
Viele Störche verbringen den Winter lieber auf spanischen Müllhalden, als die beschwerliche Reise nach Afrika anzutreten. Das spart jede Menge Energie, ist aber nicht ganz unproblematisch.
Jeden Herbst machen sich unsere heimischen Weißstörche auf ihre Reise in den Süden. Ihr Ziel: Afrika. Bisher jedenfalls. Forscher vom Max-Planck-Institut für Ornithologie untersuchten das Zugverhalten verschiedener Weißstorchpopulationen.
70 Störchen wurden GPS – Sender angelegt, um Erkenntnisse über den Energieverbrauch der Störche zu gewinnen. Störche aus Russland und Polen zogen über die Ostroute (…-FlyWay) direkt nach Afrika. Ihre weiter westlich lebenden Artgenossen, die über die Westroute nach Afrika gelangen, beenden jedoch immer häufiger ihre Reise in Spanien.
Der Grund sind Mülldeponien und Abfallberge, die den Störchen reichlich Nahrung bieten. Dies spart natürlich nicht nur Energie. Der Weg nach Afrika ist auch von Spanien aus noch lang. „Auf den Müllhalden müssen sie nicht nach Nahrung suchen, in den natürlichen Habitaten in Afrika ist die Nahrungssuche aufwendiger“, so Verhaltensforscherin Andrea Flack vom Institut.
Weniger Konkurrenz, aber nicht weniger gefährlich
Welche Auswirkungen das Ausbleiben der Störche in den afrikanischen Ökosystemen hat, ist aktuell nicht absehbar. Für den Sattelstorch und Nimmersatt – Nahrungskonkurrenten des Weißstorches – bleibt mehr Nahrung, da sie nicht mehr mit den Wintergästen teilen müssen.
Aber je mehr Vögel sich im eigentlichen afrikanischen Winterquartier aufhalten, desto schwerer haben es Wanderheuschrecken. Ob das Ausbleiben der Weißstörche zu einem sprunghaften Anstieg der Heuschrecken führt, kann aktuell niemand vorhersagen.
Auf den Weg nach Afrika drohen den Störchen eine Menge Gefahren. Neben Hindernissen, die zur Todesfalle werden können, sind Nahrungsknappheit, Wetterkapriolen und die Sahara selbst ernsthafte Bedrohungen.
Nur wer jetzt denkt, dass die Störche auf spanischen Müllkippen sicherer leben, der irrt. Neben Verletzungen, drohen Krankheiten durch eine Vielzahl von Keimen. Auf den Deponien finden die Störche jede Menge Fleisch, Fisch und andere weggeworfene Nahrungsreste. Zwischen jeder Menge Müll. Ein falscher Bissen könnte also auch der letzte sein.
Kein außergewöhnliches Verhalten
Bedenkt man die gigantische Entfernung, die Vögel auf sich nehmen, um ihre Winterquartiere zu erreichen, ist es kein Wunder, wenn sie alle Gelegenheiten nutzen, um ihre Reise abzukürzen. Letztlich geht es den Vögeln immer um die einfache Erreichbarkeit von Nahrung.
Unsere Zugvögel fliehen ja nicht vor Kälte und Winter. Sie fliegen in den Süden, da ihre Nahrungsquellen über den Winter bei uns versiegen. Wenn unsere Weißstörche auf spanischen Müllkippen ihr Winterquartier aufschlagen, dann nicht aus Faulheit, sondern weil sie hier genügend leicht erreichbare Nahrung finden.