Dass sich Vogelschützer oft in große Gefahr begeben müssen, um Vogelarten zu bewahren, ist leider allgegenwärtige Realität. Besonders Respekt haben wir vor den Ornithologen der türkischen Vogelschutzorganisation Doğa, die nur wenige Kilometer vom syrischen Kriegsgebiet entfernt die Rastgebiete des vom weltweiten Aussterben bedrohten Steppenkiebitzes überwachen und sich so einem großen Risiko aussetzen.
Steppenkiebitze stehen am Rande des globalen Aussterbens. Um die Ursachen des dramatischen Rückgangs zu untersuchen, starte 2004 ein großangelegtes Forschungsprojekt in der kasachischen Steppe, dem Brutgebiet des wunderschönen Vogels. Pessimistische Prognosen gingen davon aus, dass es nur noch zwischen 200 -600 Brutpaare gibt.
Nach Untersuchungen in den Brutgebieten Kasachstans wurde wiederholt festgestellt, dass es viele geeignete, aber leider verwaiste Brutplätze in im Gebiet gibt. Steppenkiebitze sind Zugvögel und darum lag es nahe, die Ursachenforschung auf die Rast – und Überwinterungsgebiete auszudehnen. Bekannt war, dass Steppenkiebitze im Sudan und Indien überwintern. Mehr aber leider auch nicht. Und Beobachtungen in diesen Gebieten lagen Jahrzehnte zurück. Der Verbleib von 95% des Bestandes lag bis dato komplett im Dunkeln. Über die Hauptzugrouten und Rastplätze hatte man allenfalls Theorien.
Den Vogelschützern kam 2005 der Zufall zu Hilfe: Wie aus dem Nichts heraus wurden zwei Trupps von 300 und 600 Tieren in Südwest – Russland beobachtet. Über 900 Tiere! Die Schätzung des Weltbestandes erwies sich glücklicherweise als zu niedrig. Zwei Expeditionen machten sich nach dieser sensationellen Beobachtung auf die Suche und konnten 2007 zwei große Trupps an der türkischen – syrischen Grenze ausmachen. 1.000 Steppenkiebitze rasteten auf türkischen Boden und nur wenige Kilometer entfernt 1.250 auf syrischen Territorium. Seit wenigen Jahren Kriegsgebiet. An Vogelschutz oder Forschung ist dort nicht zu denken.
Selbst auf türkischer Seite ist es gefährlich, die Rastplätze der Steppenkiebitze zu kontrollieren. Der bevorzugte Rastplatz der Kiebitze befindet sich in der Urfa – Steppe, nur wenige Kilometer von der syrischen Grenze entfernt. Das Gebiet wird sowohl von der YPG (Kurdische Volksverteidigungseinheiten), als auch von den Terroristen des IS tangiert.
Anfang Oktober brachen Mitglieder der Doğa in das Gebiet auf, um Feldforschung zu betreiben. Wichtige Rastplätze der Steppenkiebitze in der Urfa – Steppe sind bewässerte Feldparzellen. Dort versammeln sie sich, bevor sie ihre Reise in die Winterquartiere fortsetzen.
Da Vogelschutz ohne die Einbeziehung der ländlichen Bevölkerung unmöglich ist, wurden in den Gemeinden Gespräche mit Jägern und Hirten geführt. Ein wichtiges Ziel dabei war, dafür zu werben, dass die Bewässerung der Feldstücke in der Region aufrechterhalten wird und der Wilderei Einhalt geboten wird. Damit den Vögeln nicht unbeabsichtigt nachgestellt wird, wurde den Jägern erklärt, wie sie Steppenkiebitze identifizieren können.